Die Arbeit an sich

Bei der Gründung hatten wir zunächst die Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Haardter Berg im Blick, die direkt in der Siedlung oder in unmittelbarer Nähe am Kornberg wohnten. Die beiden ersten Leiterinnen, Frau Mertens und Frau Maschke, betraten mit der Organisationsform der Hausaufgabenhilfe Neuland, genau wie die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die zum größten Teil aus der evangelischen Gemeinde kamen. Grundprinzipien aber gab es von Anfang an: Es sollte eine Einrichtung sein, die nicht nach ­Herkunft, Religionszugehörigkeit oder sozialem Stand der Familien der Kinder fragte. Und obwohl alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit aus christlichen Motiven heraus machten und christliche Werte für die Grundlagen ihres Lebens hielten, sollte doch in der Einrichtung keine christliche Mission stattfinden im Sinne einer Verkündigung oder Belehrung. Christliche Werte wie Nächstenliebe, Toleranz, Menschenrechte oder Ehrlichkeit sollten vorgelebt und auf diese Weise vermittelt werden.


Das war das eine Prinzip. Das andere war mehr auf die praktische Arbeit bezogen: Von Anfang an sollte eine enge Zusammenarbeit mit Schule, Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern gesucht werden, um die Kinder besonders da fördern zu können, wo sie es am nötigsten hatten. Diese Zusammenarbeit war natürlich besonders einfach in den Jahren zu bewerkstelligen, als ich noch Lehrer an der Haardterbergschule war und meine Pappenheimer da gut kannte. (Auf diese Zeit bezieht sich Frau Maschke mit ihrem Beitrag.)

Die Leitungskraft, damals mit einer halben Stelle gleich 19,5 Wochenstunden, hatte also 15 Wochenstunden direkt in der Einrichtung zu absolvieren; den Rest hatte sie aufzuteilen zwischen Schule mit Unterrichtsbesuchen und Gesprächen mit den Lehrern sowie Hausbesuchen bei den Eltern der Schülerinnen und Schüler nach Notwendigkeit. Die Kinder ihrerseits kamen auf Empfehlung der Schule zu uns, wenn man es mal salopp ausdrücken will, wann und sooft sie wollten. Das konnte an einem Tag gewiss mal Chaos geben und an einem anderen leere Räume. Darum kam es sehr bald zu besseren Organisationsformen genau wie zu mehr Praxiserfahrung der ­Ehrenamtlichen. Es wurde „professioneller“, ohne dass aber die Arbeit in die Richtung ging, die die damals aufkommenden kommerziellen Schulaufgabenhilfen und Schülerhilfen nahmen. Unsere Arbeit war und ist geprägt von der Absicht, den Kindern einfacher oder armer Eltern in diesem Wohngebiet zu mehr Chancen im Leben zu verhelfen, weil wir als Christen das so wollen.


Eine der ersten grundlegenden Erfahrungen unserer Arbeit war, dass Förderung und Hilfe um so wirksamer sind, je früher sie einsetzen. Will sagen: Die mühsame Arbeit an den Lernproblemen von 13- oder 14-Jährigen wäre vielleicht nicht notwendig, wenn die gleichen Jugendlichen als Kinder mit 8 der 10 Jahren damals entscheidend gefördert worden wären.  So gingen wir behutsam dazu über, uns immer mehr mit jüngeren Schülerinnen und Schülern zu beschäftigen, ohne natürlich die Hauptschüler vom Haardter Berg plötzlich fallen zu lassen. So wurde mit den Jahren die Jung-Stilling-Schule, zu der die Grundschüler der Zinsenbach fast alle hingehen, unsere Partnerschule.


Eine weitere grundlegende Überlegung war natürlich auch, dass die Arbeit in der Einrichtung sowohl den Kindern als auch den Helfern, egal ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, Freude machen sollte. Das ­erreichten wir von Anfang an mit der richtigen Verteilung von konzentrierter Arbeit mit Feiern und Spielen, einem Freizeitangebot in den Schulferien und kleinen Ausflügen. Ebenso wurde im Lauf eines Schuljahres sowohl der christliche als auch der muslimische Festkalender abgearbeitet, was im Regelfall in großer Toleranz und Fröhlichkeit geschah. 

Ich muss sagen, dass die Eltern unserer Schutzbefohlenen sehr bald ein ganz großes Vertrauen zu uns, unserer Arbeit und allen Mitarbeitern entwickelten. Das lag bestimmt auch daran, dass wir uns auf allen Mitarbeiterbesprechungen immer ganz einig darüber waren, dass wir mit unserer Wohnung einen ­gewaltfreien Platz schaffen wollten, an dem trotzdem nach festen und verlässlichen Regeln gearbeitet wurde. Und die Kinder hatten ebenso von Anfang an hier einen Platz, von dem sie wussten, dass man ihnen hier zuhörte, wenn sie etwas zu erzählen hatten, sei es Kummervolles oder Angstmachendes oder einfach nur pure Lebenslust. 

 

Einig waren sich die Mitarbeiter aber auch, dass Höflichkeit und Toleranz lernenswert waren; so banale Dinge wie Grüßen beim Betreten eines Raumes, danke oder bitte sagen, ausreden lassen oder das ­Formulieren von Kritik als sogenannte „Ich-Botschaften“ haben unseren Kindern bestimmt auf Dauer fast ebenso genutzt wie das Einmaleins oder sinnentnehmendes Lesen.

Bald stellte sich auch heraus, dass natürlich zwischen der Schulzeit der Helfer und der Lernmethodik der heutigen Zeit „ein paar kleinere Unterschiede“ bestanden. Es war darum immer gut, wenn wir für kleine Fortbildungen Lehrerinnen oder Lehrer gewinnen konnten, die uns anhand ihrer Bücher und Lehrpläne wichtige Hinweise geben konnten. 


Kritische Zeiten...

Natürlich habe es auch einige kritischen Zeiten. Weiter...